Christina Scherrer arbeitet beim Film – Tatort, verschiedene Serienformate, Kurzfilme – spielt Theater in der freien Szene und an größeren Häusern, singt, schreibt, hat(te) ein Bandprojekt und war grad mit einer kritischen Revue mit Richard Schuberth und Jelena Poprzan sehr politisch unterwegs – ein erstaunliches Portfolio und ein in Österreich ungewöhnlicher Bewegungsspielraum.
Interview & Text: Sabine Kock
Du bist in sehr verschiedenen Universen unterwegs. Wie funktioniert es, wenn du dich in so verschiedenen Welten // Szenen // Genres bewegst?
Ich hab’ ein bisserl Glück gehabt, bin im Ausschließungsverfahren durch die verschiedenen Genres gerauscht, um immer wieder draufzukommen, dass mir die Kombination von Musik, Gesang und Schauspiel am allermeisten liegt – bis ich Filmluft schnupperte und auch diese Arbeit nicht mehr missen möchte. Meine ersten Engagements waren in der freien Szene, dazwischen hatte ich schon früh auch Stückverträge an größeren Häusern und hab dabei gemerkt: ich kann wahrscheinlich nicht auf Dauer fix an einem Haus arbeiten, wenn ich daneben noch was anderes machen will, deswegen ist es immer dieser schöne Mischmasch geblieben.
Wie bist du ans Theater gekommen?
Es gibt ein Foto von mir, da steh ich als Siebenjährige auf der Bühne und wir spielen Karl Valentins „Der Vogelfänger“. Das war sozusagen mein Bühneneinstieg. Am Tag nach meiner Matura hab ich meine erste Aufnahmeprüfung gehabt, am Max Reinhardt Seminar, dann am Konservatorium Wien und dann zwei Monate später in Graz, wo ich genommen wurde. Die Uni war für mich super und ich hatte das Glück, schon im zweiten Jahr extern im Schauspielhaus Graz zu spielen. Ein paar Profesor:innen hat das nicht gefallen, aber ich dachte: Das ist doch super, wenn ich jetzt schon in der Praxis Erfahrungen sammle. Denn sobald du aus der geschützten Bubble des Studiums rauskommst, gibt dir die Realität erstmal einen ordentlichen …Tritt. Du glaubst, du bist fertige „Staatsschauspielerin“ und kommst drauf, dass du eigentlich keine Ahnung von der Praxis, von Arbeitsrecht oder Verträgen hast, geschweige denn davon, wie man eine Honorarnote schreibt. Ich finde, wir als Studierende wurden ungenügend auf die Realität und ihre verschiedenen Arbeitswelten vorbereitet – ein Pflichtfach für alle diese Dinge gehört an alle Unis.
Was für eine Rolle spielt Smart in deinem vielfältigen Berufsfeld?
Smart ist ins Spiel gekommen durch meine vielen wechselnden Anstellungsverhältnisse. Es war anfangs ein völliges Chaos: erst war ich (gezwungener Weise) selbstständig, dann angestellt, wenn nicht genügend Aufträge reinkamen, musste ich mich arbeitslos melden, dann war ich wieder angestellt, dann selbstständig und irgendwann kannte sich keiner mehr aus. Der Staat Österreich hat leider bis jetzt keine Strukturen entwickelt, die freischaffenden Künstler:innen eine sichere Basis für ihr Arbeiten bieten können. Da kommt Smart ins Spiel: Alles, was ich freischaffend mache, kann ich über Smart abwickeln und dabei entscheiden, mich z.B. von Auftragsbeginn bis zum Monatsende bei Smart anzustellen oder nur für zwei Wochen.
Und dann kamst du zum Film?
Naja, so schnell ging das nicht. Anfangs waren die Engagements noch zu wenig, um davon leben zu können. Beim Film ist man meist nur tageweise angestellt. Wenn du Glück hast, bekommst du z.B. fünf Drehtage und sie stellen dich für den Zeitraum an, in den diese fünf Drehtage gefallen sind. So ist es natürlich schwierig, längere Anstellungszeiten zusammen zu bekommen. Deswegen bin ich ja nicht „nur“ beim Film.
Wie ist die Arbeit „hinter den Kulissen“ des Tatorts? Und: entwickelt sich, auch wenn ihr ja „nur“ immer wieder in großen Abständen tageweise dreht, sowas wie ein Ensemblegefühl?
Das braucht alles Zeit, um zusammenzuwachsen. Von Projekt zu Projekt entwickelt sich die Zusammenarbeit und gleichzeitig auch die Figur und wird reicher an Facetten. Jede Figur des Hauptcasts hat über die Jahre eine Entwicklung mit Moritz und Bibi durchgemacht. Das ist das Schöne an einem Serienformat, dass man mitwachsen darf.
Wie passt dazu die ganz andere Facette deines aktuellen Projekts, einer radikalen politischen Revue mit Richard Schubert und Jelena Poprzan?
Ich glaub’ das ist eine logische „Zufallskonsequenz“ meines bunten Lebenslaufes. Jelena schätze ich als Rebellin in ihrem Genre – und ich seh‘ mich auch ein bisschen als Rebellin in meinem Genre. Ich will Zeichen setzen mit dem, was ich mache. Natürlich will ich auch unterhalten und Leute dazu bewegen, ins Theater zu gehen, sich einen Film anzuschauen, Spaß zu haben an der Sache; aber auch, rauszugehen und zu denken: vielleicht kann ich etwas ändern an unserer Welt, sie aktiv mitgestalten.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: was hast du als nächstes vor?
Zum einen kommen die Dreharbeiten für einen neuen Wiener Tatort unter der Regie von Katharina Mückstein und zum anderen die Vorbereitungen für ein Konzertprogramm mit dem Titel „Tatort Oper“. Der großartige Stefan Potzmann hat große Opernsätze für ein Nonett (ein neunköpfiges klassisches Orchester) – dem „Ensemble minui“ neu arrangiert. Ich kam über den „Tatort“-Titel des Projekts ins Spiel. Zwischen den Musikstücken werde ich eine Krimistory erzählen, die mit spannenden Facetten einiger Figuren aus den Opern Rusalka, La Boheme oder Eugen Onegin angereichert ist. Die Premiere wird voraussichtlich am 16. September 2023 im Radiokulturhaus sein, großer Sendesaal. Und dann gehen wir damit im Frühjahr 2024 auf eine kleine Konzertreise nach Deutschland. Ich freu mich schon sehr.